Die Rolle von Chromatinmodulatoren und DNA Reparaturfaktoren während der Etablierung und Erhaltung der Latenz von Gammaherpesviren
Nukleare Strukturen, gebildet von KSHV LANA, so genannte LANA speckles
Kaposi-Sarkom zeigt sich auf der Haut und inneren Organen vieler Aids-Patienten. Im Film „Philadelphia“ zum Beispiel, entdeckt der HIV-erkrankte Andrew eines Tages erschrocken einen dunklen Fleck in seinem Gesicht. Auslöser dieser Hautveränderung ist der Ausbruch des Kaposi-Sarkom-Herpesvirus (KSHV). Es verursacht nicht nur hässliche Flecken auf der Haut, sondern kann in inneren Organen zu Blutungen führen. Diese Blutungen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei Aidspatienten. Dabei ist KSHV, wie die meisten Herpesviren, für Gesunde nicht gefährlich. Unbemerkt ruht es in unseren Zellen. Ist aber das Immunsystem geschwächt, kann der Körper sich nicht immer gegen einen Ausbruch des Virus wehren. Die Arbeitsgruppe um Thomas Schulz möchte die Mechanismen klären, mit denen Kaposi-Sarkom Viren sich dauerhaft im Menschen festsetzen und später wieder aktiv werden. Dabei konzentrieren sich die Wissenschaftler auf die Phase kurz nach dem Eindringen des Erregers. Dann nämlich schleusen die Viren ihr Erbgut in den Kern der Zellen ein. Das sorgt dafür, dass das Virusgenom unentdeckt bleibt und sich bei der Zellteilung so vervielfacht, als wäre es ein Teil der körpereigenen Erbanlagen. Um sein Genom in den Zellen zu stabilisieren, produziert KSHV ein Protein namens LANA (Latency Associated Nuclear Antigen). LANA trägt außerdem dazu bei, infizierte Zellen so zu programmieren, dass sie sich vermehren und gleichzeitig das Virus in ihrem Inneren vor dem Immunsystem verbergen. Die Wissenschaftler untersuchen die Interaktion von LANA mit Proteinen der menschlichen Zellen auf der Suche nach einem Angriffspunkt, um die Ansiedlung und Vermehrung des Virus zu verhindern. Um die Infektion direkt im Körper beobachten zu können, arbeiten die Forscher auch mit einem Mäusevirus, welches ein LANA-ähnliches Protein besitzt. So können sie Labormäuse gezielt mit veränderten Viren infizieren, und den Verlauf der Infektion untersuchen.
Mitglieder der Krebs verursachenden lymphotropen Gammaherpesviren – beim Menschen sind dies das Epstein-Barr Virus (EBV) und das Kaposi Sarkom Herpesvirus/humane Herpesvirus 8 (KSHV/HHV8) ‑ sowie die epitheliotropen Papillomaviren etablieren ihre Latenz in sich teilenden Zellen. Deshalb verfügen sie über einen Mechanismus, der für die Replikation des latenten zirkulären (episomalen) viralen Genoms in der S-Phase und die kontrollierte Verteilung der replizierten Episomen auf die Tochterzellen während der Mitose sorgt. Ferner erfolgt in den latent infizierten Zellen eine auf wenige virale Gene beschränkte Genexpression.
Wissenschaftliche Vorgehensweise
Ziel des Projekts C1 ist es, die Persistenz von latenten KSHV Genomen auf der molekularen Ebene zu verstehen und auf dieser Basis mögliche Angriffspunkte für eine eventuelle pharmakologische Intervention zu identifizieren. Bei diesen Prozessen kommt dem KSHV LANA Protein (Latency-Associated Nuclear Antigen) eine besondere Bedeutung zu. LANA ist für die latente Replikation der viralen DNA essentiell, bindet latente virale Genome an das Chromatin der Wirtszelle und stellt damit sicher, dass diese während der Zellteilung wie ein zusätzliches Chromosom auf Tochterzellen verteilt werden. Im Projekt C1 durchgeführte Arbeiten führten zu einer Aufklärung der molekularen Struktur der mit der viralen DNA interagierenden c-terminalen Domäne dieses Proteins und erlaubten die Entwicklung eines Modells, wie LANA virale DNA-Chromatin Komplexe assembliert (Hellert et al., PLoS Pathogens 2013; Proc. Natl. Acad. Sci. 2015). Zur Zeit laufende Untersuchungen betreffen die Interaktion von LANA mit den Mitgliedern der zellulären Brd/BET Protein Familie, welche bestimmte epigenetische Modifikationen (Histonazetylierungen) auf Histonen erkennen.
Diese Interaktion könnte eine Rolle bei der präferentiellen Assoziation von LANA mit zellulären Promotoren spielen und damit entweder der Regulation zellulärer Gene durch LANA oder der Positionierung von latenten viralen Genomen in ‚aktiven’ Chromatinregionen dienen. Überraschenderweise konnten wir in den letzten Jahren zeigen, dass zytoplasmatische Varianten von LANA eine Rolle bei der Hemmung des angeborenen Immunsystems spielen und damit dafür sorgen, dass virale DNA nicht ‚versehentlich’ von dem DNA Sensor cGAS, welcher die Aktivierung des Interferonsystems auslöst, oder dem DNA Doppelstrangbruch Erkennungssystem MRN (Mre11, Rad50, Nbs1), welches die Aktivierung des NFkB Signalwegs initiiert, erkannt wird (Zhang et al., Proc. Natl. Acad. Sci. 2016; Mariggiò et al. PLoS Pathogens 2017). Zusammengefasst deuten unsere bisherigen Befunde darauf hin, dass LANA eine Rolle bei der Assemblierung, Replikation und Abschirmung viraler DNA gegenüber dem angeborenen Immunsystem spielt.
Thomas Schulz erzählt über seine Forschung im SFB 900
Thomas Schulz ist der Gründer und Sprecher des SFB 900. In seinem Teilprojekt C1 geht es um die Persistenz der Kaposi Sarkom Herpesviren. Er und seine Forschergruppe möchten aufklären, wie die Viren dauerhaft im Körper während der Latenzphase verweilen können und wie sie wieder aktiviert werden.
Publikationen des Forschungsprojektes C1
Kontakt
Prof. Dr. med. Thomas F. Schulz
Institut für Virologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
+49 511 532-6737
Schulz.Thomas@mh-hannover.de