Modulation der Immunantwort durch die Gammaherpesviren Kaposi Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) und murines Herpesvirus 68
Die wachsende Familie der pattern recognition receptors umfasst den DNA Sensor cGAS, RIG-I-ähnliche Rezeptoren (RLR) sowie Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR). Nach Bindung ihrer Liganden wie zum Beispiel viralen oder zellulären Nukleinsäuren induzieren diese Rezeptoren eine Signalkaskade, die zur Transkription von Typ I Interferonen (IFN) und pro-inflammatorischen Zytokinen führt. Diese antivirale Immunabwehr ist essentiell für die Kontrolle der viralen Infektion durch den Wirtsorganismus.
Das Kaposi Sarkom-assoziierte Herpesvirus (KSHV) wurde im Jahr 1994 identifiziert und ist eines von neun heute bekannten Herpesviren des Menschen. Mittlerweile ist wissenschaftlich eindeutig belegt, dass KSHV die Ursache von drei verschiedenen Krebsarten darstellt: (1) einem Krebs der Blutgefäße, dem sogenannten Kaposi Sarkom, (2) einem Lymphom (ein Krebs der weißen Blutzellen) mit dem Namen Primäres Effusionslymphom, und (3) einigen Formen von Lymphknotenvergrößerungen, genannt Castlemann’sche Krankheit. Das Kaposi Sarkom wurde bereits im 19. Jahrhundert von dem ungarischen Arzt Moritz Kaposi beschrieben. Mit dem Nachweis von genetischem Material des KSHV in diesem Tumor lieferten die amerikanischen Wissenschaftlern Yuan Chang und Patrick Moore mehr als ein Jahrhundert später den Hinweis, dass ein neues Herpesvirus die Ursache dieser Krebsart sein könnte.
Eine charakteristische Eigenschaft aller Infektionen mit Herpesviren ist, dass gesunde Menschen zwar infiziert werden können, jedoch die Vermehrung des Virus in den meisten Fällen im Zaum zu halten vermögen. Virus und Mensch leben somit in einer friedlichen Koexistenz miteinander, die jedoch aus dem Gleichgewicht geraten kann, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Besonders häufig tritt das Kaposi Sarkom bei AIDS Patienten auf. Das Immunsystem von AIDS Patienten ist durch die Infektion mit dem Humanen Immundefizienz Virus (HIV) stark geschwächt, wodurch es die Vermehrung von KSHV nicht mehr verhindern kann. Ein weiteres Beispiel sind Organtransplantationen – hier muss das Immunsystem des Patienten medikamentös geschwächt werden, um die Abstoßung des fremden Organs zu verhindern.
Die Arbeitsgruppen von Melanie Brinkmann und Stephan Halle möchten gemeinsam die Mechanismen aufklären, wie das KSHV und sein Homolog Murines Herpesvirus 68 (MHV68) von dem Immunsystem bei der Erstinfektion erkannt und im weiteren Verlauf der Infektion vom Immunsystem im Zaum gehalten werden. Mit Hilfe der 2-Photonenmikroskopie wird in diesem Projekt direkt in vivo in der Maus visualisiert, wie MHV-68-infizierte Zellen und das Immunsystem miteinander interagieren. Somit wird es möglich sein, die wichtigsten zellulären Faktoren der Viruskontrolle auf der Ebene einzelner Zellen im lebenden Organismus zu untersuchen.
Außerdem will das Wissenschaftlerteam durch die Studie dieser Herpesviren neue Einblicke in zelluläre Abläufe erhalten. Die Ko-Existenz zwischen Herpesviren und dem Menschen besteht seit vielen Millionen von Jahren. Herpesviren kennen daher die wichtigen Schaltstellen der Immunabwehr sehr genau und umgehen diese gekonnt oder nutzen sie sogar für ihre eigenen Zwecke. Welche Schalthebel KSHV und MHV68 zu ihren Gunsten umlegen wollen die Forscher im Detail verstehen, um zum Einen neue Einblicke in das Zusammenspiel zwischen Virus und seinem Wirt zu erhalten, und um zum Anderen nachvollziehen zu können, wie dieses Virus zur Entstehung von Krebs beiträgt.
Wissenschaftliche Vorgehensweise
Die im Rahmen dieses SFBs geförderten Projekte der Arbeitsgruppen von Melanie Brinkmann und Stephan Halle widmen sich zwei zentralen Themen: (1) der Charakterisierung der Immunantwort im Kontext der MHV68 Infektion in vivo, und (2) der Aufschlüsselung der Funktion der KSHV Proteine ORF20 und RTA im Rahmen der angeborenen Immunantwort.
In den vergangenen Förderperioden konnten wir zeigen, dass pattern recognition receptors der angeborenen Immunantwort eine wichtige Rolle bei der Detektion sowie der Kontrolle der KSHV und MHV68 Infektion spielen (Bussey et al., JV 2014; Zhang et al., PNAS 2016; Bussey et al., JV 2018). Ferner konnten wir zeigen, dass die Aktivierung der angeborenen Immunantwort durch diese Gammaherpesviren inhibiert wird (Bussey et al. 2014), jedoch auch geschickt zugunsten der viralen Infektion genutzt werden kann (Bussey et al., PLoS Pathogens 2018).
Durch die vielen Millionen Jahre der Koevolution sind Herpesviren perfekt an ihren natürlichen Wirt angepasst und vermögen in der Regel nicht, andere Spezies zu infizieren. Um das Wechselspiel zwischen Gammaherpesviren mit der Wirtsimmunantwort zu untersuchen, haben wir deshalb das MHV68 Infektionsmodell gewählt. MHV68 ist ein geeignetes Modell, um die gammaherpesvirale Infektion in der Labormaus zu untersuchen. Um die in vivo Dynamik der MHV68 Infektion direkt erforschen zu können werden in diesem Projekt folgende Fragestellungen bearbeitet:
- In vivo Tropismus von MHV68 und Migrationsverhalten der infizierten B Zellen
Gammaherpesviren können Zellen des Immunsystems erfolgreich infizieren. Es wird angenommen, dass die Infektion von B Zellen wichtig ist für die Ausbreitung des Virus. In diesem Projekt soll nun in vivo mit Hilfe der 2-Photonenmikroskopie untersucht werden, wo und wann genau die ersten B Zellen infiziert werden. Außerdem werden wir in vivo messen, wie schnell sich die infizierten B Zellen im Gewebe bewegen. Ob eine MHV68-infizierte B Zelle den B Zell Follikel tatsächlich verlassen kann wird mit Hilfe der 2-Photonenmikroskopie analysiert. Im Mausmodell stehen verschiedene Techniken zur Verfügung, um dann das Verhalten von infizierten und nicht infizierten B Zellen direkt zu vergleichen.
Auf diese Weise werden Daten gesammelt, um die initialen Stadien der MHV68 Infektion in Wildtyp und immundefizienten Mäusen besser zu verstehen.
2. In vivo Immunkontrolle der MHV68 Infektion und Effektivität der angeborenen Immunantwort
In der AG Brinkmann wurden die Rezeptoren des angeborenen Immunsystems, die für die Erkennung von MHV68 in vivo wichtig sind, identifiziert. Mit Hilfe der 2-Photonenmikroskopie können wir nun in vivo die MHV68 Infektion direkt beobachten und so besser verstehen, wie sich die verschiedenen angeborenen Immunantworten in den infizierten Organen auswirken. So ist es jetzt möglich zu bestimmen, ob das Fehlen eines bestimmen Rezeptorsystems auf Seiten des Wirtsorganismus oder das Fehlen eines entsprechendes viralen Faktors den Verlauf der Infektion verändern kann. Hierzu werden verschiedene Mausmodelle und genetisch veränderte MHV68 Mutanten untersucht.
Unser zweiter Fokus besteht darin zu verstehen, wie die Gammaherpesviren KSHV und MHV68 die angeborene Immunantwort modulieren. Wir konnten zeigen, dass die Signalkaskade unterhalb der Toll-like Rezeptoren in MHV68- und KSHV-infizierten Zellen inhibiert ist (Bussey et al., JV 2014). Um die viralen Proteine zu identifizieren, die für diese Inhibition verantwortlich sind, haben wir einen Luziferase-basierten Reporterassay etabliert. Wir konnten zeigen, dass das KSHV Protein RTA die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-kB nach TLR2 Stimulation inhibiert. RTA ist ein transkriptioneller Aktivator, der essentiell für die virale Genexpression von KSHV ist. Ferner konnten wir zeigen, dass das KSHV ORF20 Protein mit dem zellulären interferon-stimulated gene product (ISG) oligoadenylate synthase-like (OASL) interagiert und OASL eine provirale Rolle im Rahmen der KSHV und MHV68 Infektion einnimmt (Bussey et al., PLoS Pathogens 2018). In der aktuellen Förderperiode werden wir auf diesen Arbeiten aufbauen und die Rolle der KSHV Proteine RTA und ORF20 während der angeborenen Immunantwort eingehend charakterisieren, sowie die MHV68 Infektion in OASL-defizienten Mäusen untersuchen.
Das KSHV Protein Reaktivierung und Transkriptions Aktivator (RTA) ist essentiell und ausreichend, um KSHV von der Latenz in die lytische Replikationsphase zu überführen. Während der Latenz werden nur wenige virale Gene transkribiert, wohingegen bei der lytischen Replikation alle viralen Gene in einer streng regulierten Reihenfolge transkribiert werden. Nach Ablauf des lytischen Replikationszyklus werden neu gebildete virale Partikel freigesetzt.
Das MHV68 Genom kann mit molekularbiologischen Methoden (BAC Mutagenese) so verändert werden, dass Virus-infizierte Zellen fluoreszierende Proteine exprimieren. Mit diesen farbigen Reporterviren kann der Infektionsverlauf im lebenden Organismus über längere Zeit verfolgt werden. (B) Mittels 2-Photonen Mikroskopie können die mit Reportervirus infizierten Zellen in verschiedenen Organen und Geweben visualisiert werden. Unter anderem werden Lymphknoten der Maus analysiert, da die B Zellen des Lymphknotens höchstwahrscheinlich von MHV68 infiziert werden. Hier kann die Interaktion zwischen Virus-infizierten Zellen und farbigen Immunzellen dynamisch analysiert werden. Das 2-Photonen Bild unter dem Schema zeigt MHV68-infizierte Zellen im Lymphknoten.
Melanie Brinkmann und Stephan Halle erzählen über ihre Forschung im SFB 900
Melanie Brinkmann ist seit Gründung des SFBs im Jahr 2010 mit dabei. Seit Juli 2018 erforscht sie gemeinsam mit Stephan Halle im Teilprojekt B3 die Interaktion des Kaposi-Sarcom assoziierte Herpesvirus(KSHV) mit dem angeborenen Immunsystem.
Publikationen des Forschungsprojektes B3
Kontakt
Dr. rer. nat. Melanie M. Brinkmann
Technische Universität Braunschweig
Institute of Genetics – Biozentrum
Spielmannstr. 7
38106 Braunschweig
+49 531 6181-3069/3511
+49 531 6181-3099
Melanie.Brinkmann@helmholtz-hzi.de
Dr. med. Stephan Halle
Medizinische Hochschule Hannover
Institut für Immunologie
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
+49 532 9729
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Halle.Stephan @mh-hannover.de